Hast du einen Schreibfreund? Schreiben ist Kommunikation mit dem Leser. Kommunikation kannst du nicht alleine üben. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für das erste Feedback? Und woher weißt du, wer am besten zu dir und deiner Arbeitsweise passt?
Als ich früher noch als Schauspieler gearbeitet habe, zählten Premieren zu den bedeutendsten Ereignissen. Erst, wenn eine Inszenierung dem Publikum präsentiert wurde, wusste man, ob das Konzept aufging. Dementsprechend hoch war die Anspannung. Wir fragten uns: Wie würden die Leute reagieren? Funktionierten die Gags? Würden die Zuschauer an den geplanten Stellen lachen? Mit uns mitfiebern? Wie viel man auch geprobt hatte – planbar waren solche Momente nicht. Theater, das ist Kommunikation mit dem Publikum. Und ein Publikum kann man sich nun leider nicht vorstellen.
Beim Schreiben ist es ähnlich. Handwerk hin oder her. Auch das Schreiben ist Kommunikation und solange wir in unserer eigenen Wahrnehmungsblase gefangen sind, ist es unmöglich festzustellen, ob ein Text funktioniert oder nicht. Nicht umsonst gibt es Testleser und Lektoren.
Leider jedoch ist das Schreiben ein sehr einsamer Job. Ein Lektorat ist das Geld zwar in jedem Fall Wert, aber nur selten erschwinglich – erst recht nicht in den frühen Phasen eines noch sehr jungen Projektes oder wenn du mit deinem Schreiben gerade deine ersten Schritte wagst. Ein Schreibcoaching ist natürlich sinnvoll, kann aber auch nur bestimmte Teile deiner Arbeit abdecken. Du steckst also in einem großen Dilemma. Kurz:
Du brauchst einen Schreibbuddy!
Der Begriff Schreibbuddy entstand in unseren kreativen Runden im Schreibcafé Wien. Übersetzen könnte man ihn mit Schreibfreund. In Wahrheit jedoch ist ein Schreibbuddy mehr. Er ist Trainingspartner, Testleser, Motivator und Leidensgefährte. Dein Schreibbuddy und du, ihr verfolgt dasselbe Ziel: Ihr wollt mit euren Geschichten überzeugen.
Schreibbuddy kann absolut jeder sein. Denn am Ende entscheidet auch kein Literaturprofessor über den Erfolg eines Buches, sondern der Leser. Leser sind Menschen wie du und ich. Folglich kann auch jeder beurteilen, ob eine Geschichte funktioniert oder nicht. Wichtig ist, dass ihr eine gemeinsame Linie findet und euer Anliegen ernst nehmt. An folgenden Schwerpunkten solltet ihr euch orientieren:
Die Welt im Autorenkopf
Das Schwerste am Schreiben ist die Differenzierung zwischen dem, was sich im Kopf des Autors abspielt und dem, was auf dem Papier landet. Schreiben ist Kommunikation. Kommunikation kannst du nicht mit dir allein üben. Darum reflektiert eure Texte gegenseitig. Das wird einfacher, wenn ihr ein paar Regeln beachtet. Ich habe sie in meinem Schreibtipp So holst du dir Textfeedback auf meinem YouTube-Kanal kurz zusammengefasst:
Reden ist der Notausgang aus dem Gedankenlabyrinth
In unserer Fantasie ist alles möglich und selbst das größte Ideen-Chaos genial. Versuchst du, deine Idee einem Gegenüber verbal zu vermitteln, wird sehr schnell klar, wo es hakt und wo du als Autor dich in Träumereien verlaufen hast. Nutze daher die Gelegenheit, mit deinem Schreibbuddy über deine Ideen zu reden. Erzähle ihm, was in deiner Geschichte passiert. Oft lösen sich bereits dabei erste Knoten.
Dein Leuchtfeuer auf stürmischer See
Wenn es ungemütlich wird und nichts gelingen mag, hilft es jemanden an seiner Seite zu haben, der gegen dieselben Unwetter kämpft und einem die Hand halten kann. Habt ein offenes Ohr für eure Probleme. Ihr werdet merken, dass wir alle nur mit Wasser kochen. Allein diese Erkenntnis kann ungemein beruhigen und Kraft schenken.
Der Blick auf die Werke anderer schult dein Handwerk
Das Analysieren fremder Texte und Ergründen von Stolpersteinen schult dein eigenes Handwerk enorm. Es profitiert also nicht nur dein Gegenüber, wenn du Feedback gibst. Schließlich musst du dich mit dem Text auseinandersetzen, herausfinden, warum etwas nicht funktioniert und nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Bleibt nur noch eine entscheidende Frage:
Wo findest du deinen Schreibbuddy?
Definitiv nicht an deinem Schreibtisch. 😉 Umso wichtiger ist es, dass du deine eigenen vier Wände regelmäßig verlässt. Deine Kreativität will ohnehin regelmäßig aufgetankt werden. Begibst du dich auf die Suche nach Inspiration, wirst du auch Schreibbuddys begegnen. Sie treiben sich herum, wo immer es ums Schreiben, Lesen und Geschichtenerzählen geht. Besuche Buchmessen, Schreibkurse, Schreibwerkstätten, Autorenforen oder Lesungen.
Kennst du den NaNoWriMo? In vielen großen Städten finden während des National Novel Writing Months Schreibtreffen statt. Besuche sie! Termine findest du auf der offiziellen NaNoWriMo-Webseite. Nutze die Möglichkeit, andere Schreibverrückte kennenzulernen, wann immer es geht. Sei hilfsbereit, offen und ehrlich und du wirst rasch Anschluss finden. Wie sagte Ralph Waldo Emerson so schön: „Der beste Weg, einen Freund zu haben, ist der, selbst einer zu sein.“
Wer ist ein guter Schreibbuddy?
Auch wenn rein theoretisch jeder ein guter Schreibbuddy sein kann, solltet ihr einen guten Draht zueinander haben. Nur, wenn ihr euch gegenseitig in eure Projekte einfühlen könnt und mit derselben Hingabe arbeitet, wird eure Zusammenarbeit auch auf Dauer Bestand haben. Meiner persönlichen Erfahrung nach solltest du daher auf folgende Punkte achten:
Das Genre
Dein Schreibbuddy sollte das Genre, in dem du schreibst, gut kennen und bestenfalls gern lesen. Sonst wird eine Kritik häufig destruktiv und nicht entsprechend der Lesererwartung ausfallen.
Die Ambition
Was ist dein Ziel? Dein Schreibbuddy sollte es kennen und ähnliche Ambitionen haben. Nur dann wird er ein Gefühl dafür haben, was wesentlich ist, weil er an ähnlichen Baustellen kämpft. Außerdem vermeidet ihr Konflikte, wenn ihr eure Ziele mit derselben Ernsthaftigkeit und Konsequenz verfolgt. Gibt jemand mehr oder erwartet jemand mehr als der andere, ist Ärger vorprogrammiert.
Ebenso führen unterschiedliche Ambitionen wie
- Literarisch <-> Unterhaltung
oder - Selfpublishing <-> Verlag
fast immer zwangsläufig zu Missverständnissen und Konflikten. Schreibfreundschaften haben nur auf Win-Win-Basis eine Chance auf dauerhaften Erfolg.
Die richtige Zusammenarbeit
Habt ihr euch gefunden, solltet ihr eine Sache nicht vergessen: Nicht alles ist zu jeder Zeit sinnvoll. Die falsche Kritik im unpassenden Moment kann manchmal mehr Schaden anrichten als helfen. Daher ist es wichtig, dass ihr eure Zusammenarbeit gut organisiert. In jedem Fall braucht dein Buddy genug Fantasie, um noch kommende Arbeitsschritte vorauszudenken und den aktuellen Fokus zu halten! Ich empfehle folgende Herangehensweise:
Ideenphase – Ziel: Schreibanstoß finden
In der Ideenphase ist Feedback ein enormes Risiko. Mein Tipp: Lieber erst in die eigene Idee verlieben. Und wissen: Dein Buddy wird sie NIE so cool finden wie du selbst. Alles, was Mut macht und anspornt, ist erlaubt. Kritik kann in dieser Phase alles killen.
Schreibphase – Ziel: Weiterschreiben
In der Schreibphase solltet ihr wenn, dann nur am Handlungsbogen arbeiten. Feinarbeiten am Text stoppen deinen Schreibfluss. Ein Korrekturlesen ist zu diesem Zeitpunkt häufig destruktiv und sinnlos.
Überarbeitungsphase I – Ziel: ein tragfähiger Plot
In der ersten Überarbeitungsphase liegt der Schwerpunkt auf dem Erzählbogen. Versteht dein Buddy, was du willst? Trägt die Handlung?
Überarbeitungsphase II – Ziel: optimale Sprache
Erst jetzt macht eine detaillierte Arbeit an der Sprache Sinn. Ihr könnt mit dem Korrekturlesen beginnen.
Regelmäßige Check-up-Dates
Vereinbart über eure Textarbeit hinaus regelmäßige Check-up-Dates, in denen ihr eure Arbeit und Ziele allgemein reflektiert. Eine gute Freundin von mir und ich machen das seit Jahren. Einmal pro Woche reflektieren wir die Ergebnisse unserer Arbeit. Inzwischen sind unsere Check-up-Dates ein fixes Ritual geworden.
Feedback ist ein Geschenk
Bevor ihr euch nun in die gemeinsame Arbeit stürzt, solltet ihr euch eine Sache noch einmal ins Bewusstsein rufen: Feedback ist ein Ausdruck von Wertschätzung. Lob macht bequem. Kritik ist ein wertvoller Hinweis auf verschenktes Potenzial. Wer euch konstruktiv kritisiert, ist nicht selten der mutigere und aufrichtigere Freund als ein Honig-ums-Maul-Schmierer. In Amerika gibt es ein vortreffliches Sprichwort zu diesem Thema:
Die meisten Menschen wollen lieber durch Lob ruiniert als durch Kritik gerettet werden.
Wenn ihr euch an folgende Regeln haltet, bleibt ihr stets im grünen Bereich:
Feedback geben
An der Theke entscheidet der Leser, nicht der Dozent. Jeder, der selbst Leser ist, ist daher auch hervorragender Feedback-Geber. Einzige Bedingung: Begründe dein Feedback!
- Was funktioniert nicht / gefällt dir nicht?
- Warum funktioniert es / gefällt es dir nicht?
Die Frage nach dem Warum ist entscheidend, denn: Es geht nie um gut oder schlecht, sondern um funktioniert oder funktioniert nicht.
Feedback bekommen
Kritik an deinem Text ist keine Kritik an deiner Person und auch keine Kritik an deinem Talent. Sie ist ein Qualitätscheck. Sitze den Frust aus, atme tief durch und geh es an! Der innere Schweinehund hat IMMER Angst! Akzeptiere diese Angst und gib trotzdem jedem Vorschlag eine Chance.
Was wolltest du erreichen?
Feedback kannst du nur relativieren, wenn du an jedem Punkt deines Textes genau weißt, was du erreichen wolltest und wie du es erreichen wolltest. Also arbeite genau! Auf diese Art werden dein Schreibbuddy und du gemeinsam eine Menge erreichen können.
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